Der harte Trainer?

Aber wie auch immer, den Ruf habe ich weg. Heute pflege ich diesen geradezu. Obwohl da Geschichten im Umlauf über mich und meine Methoden sind, die sind genau so unwahr wie amüsant. Da ist einigen Leuten anscheinend die Phantasie durchgegangen. Aber eine stimmt: Ich bin einmal mit einem schelmischen Hintergedanken beim Berlin-Marathon als Betreuer mit einer Peitsche angetreten. Diese hatten mir Vereinsmitglieder zu einem Jubiläum geschenkt. Sie sollte als Metapher, für meine oft gebrauchte verbale Aufforderung "jetzt Peitsche geben" stehen. Diese fordert den Athleten im Wettkampf auf, nun den letzten Einsatz zu zeigen.

Mit der Peitsche angetrieben!

Damit nun alle Kritiker ihre Vorurteile bestätigt sehen konnten, nahm ich diesen "Treibsatz" mit nach Berlin. Wir hatten einen Riesenspaß damit. Zitat von Lothar Nitschke, ein alter Kumpel von mir, mit dem ich mir früher heiße Duelle geliefert habe: "Peter, wenn ich bei km 35 nicht unter 2:10 bin, dann zieh mir mal richtig eine über!" Eine Zuschauerin schaute mich völlig entsetzt an und bat mich schon fast flehentlich mit einem Blick in Richtung der Aktiven: "Aber nicht schlagen!"

Wie gesagt, alle diese Unterstellungen, Ideen und Angriffe unterstütze ich jetzt im hohen Maße, um das Image des gnadenlosen Trainers zu pflegen. Leider kann ich diese angebliche Gnadenlosigkeit immer weniger anwenden. Seit 5 Jahren trainiere ich immer weniger Leute, unsere Gruppe wird immer kleiner. Jugendliche sind nicht mehr dabei. Meine Arbeit läßt mir einfach keine Zeit mehr dazu und irgendwie ist mir mit den Jahren auch die Motivation verloren gegangen. Die Letzte, die den Weg mit mir von Jugend an bis in die Erwachsenenklasse gegangen ist, ist jetzt im Frühjahr 2001 die amtierende Deutsche Marathonmeisterin Ines Cronjäger - und die ist nun 24 Jahre alt.

Es ist eigentlich schade, daß ich nicht mehr mit jungen Leuten arbeiten kann, es ist das eigentliche Salz in der Suppe eines Trainers. Am Erfolg lag es nicht, den Erfolg gab es reichlich. Alle Jugendlichen, die ich jemals trainiert habe, wurden zumindest Landesmeister – und sei es in der Mannschaft.

Wer macht Schluß?

Aber dennoch, der Frust ließ nicht auf sich warten. Immer wieder machten Jugendliche, auf denen ich meine ganze Hoffnung gesetzt hatte, mit dem Leistungssport plötzlich Schluß. Statistisch ist es so, das 94% all derer, die jemals in den Schülerbestenlisten auftauchten, niemals in den Erwachsenenlisten zu finden sind. Natürlich ist dieser Prozentsatz bekannt, aber jeder Trainer hofft, daß ihn dieser Ausstieg nicht betrifft. Wenn die 6%, die weiter trainieren, nun die Besten wären, könnten wir Trainer uns glücklich schätzen. Leider ist das nicht so. Es gibt keine Korrelation zwischen Leistungsstärke und Karrierefortsetzung nach dem Jugendalter. Die Langsamen, wie Schnellen hängen die Laufschuhe im Gleichtakt an den Nagel.

Das Drop-Out-Syndrom

Jugendliche beenden ihre Karriere aus vielen Gründen. Viele sehen das Verhältnis von Arbeit und Lohn als nicht befriedigend genug für sich an. Einige vermuten, daß das Talent nicht reicht um die Träume zu erfüllen. Sehr oft ist die beginnende Berufsausbildung oder das Studium der Auslöser. Andere haben in der Phase der Persönlichkeitsfindung das Gefühl, daß der betriebene Sport eigentlich nicht ihr "Ding" ist, sondern von den Eltern, Lehrern oder Trainern so gewollt ist. Diese Idee ist der häufigste Grund für das "Drop out"-Syndrom genannte Aussteigen aus dem Leistungssport.

Gerade dieses Syndrom ist das, was uns Trainer so frustriert. Bei jedem Anlaß, bei dem wir zusammenkommen, wird darüber diskutiert. Viele der Kollegen geben aus diesem Grund auch ihre Trainertätigkeit ganz auf. Man macht das einmal mit, daß ein hoffnungsvoller Athlet(in) aufhört, ein zweites und ein drittes Mal und spätestens beim vierten Mal fängt man über den Sinn der ganzen Sache an nachzudenken. Der Aufwand, den ein Trainer für Jugendliche betreiben muß, ist erheblich. Nicht allein die Trainingsbetreuung ist es. Junge Leute zwischen 14 und 19 Jahren benötigen einen Coach nicht nur auf dem Sportplatz, sondern er ist Berater, Ansprechpartner für die Lehrer und Eltern, Besorger von Ausrüstungsverträgen, Tröster bei Beziehungskrisen, "Doktor" bei Verletzungen, über tausende von Kilometern Fahrer zu Wettkämpfen und Trainingsmaßnahmen und vieles andere mehr. Wenn aller Aufwand dann von einem zum andern Tag umsonst war, dann bricht es mir jedes Mal wieder das Herz. Denn in der langen Zeit der Zusammenarbeit mit einem jungen Menschen baut sich natürlich auch eine persönliche Beziehung auf. Eigentlich sorgt man sich um seine Athleten(innen) wie um die eigenen Kinder und hofft auf ein gutes Fortkommen, freut sich oder leidet je nach Lebenssituation des Schützlings mit.

Deutscher-Cross-Meister

Oft aber kehren die verlorenen Söhne wieder zurück. Wie zum Beispiel Karsten Müller (67), er war der erste deutsche Meister in der LG Seesen (1984, Rhede, Cross-Langstrecke, Einzel- und Mannschaftswertung), den ich trainierte. 1986 beendete er seine Karriere, weil er sich um seine Berufsausbildung kümmerte und von Seesen fortzog. Mehr als 10 Jahre später ist er wieder zurück auf den Laufstrecken und gehört zu den besten Läufern in Norddeutschland.

Karsten war schon als Jugendlicher sehr fleißig, er trainierte immer mehr, als ich ihm vorgab. Obwohl auch mehr Training machbar ist, kann es sein, daß der nachfolgende Plan einige Personen weit überfordert, weil sie sich mehr zutrauen, als sie leisten können. Aber es kann nicht die Aufgabe eines Trainingsplans sein, aus diesem Grund die Leistungsfähigen zu vernachlässigen. Das wäre vergleichbar mit einer Schule, die den Lehrplan an den Unbegabtesten ausrichtet. Außerdem werden im Plan Einheiten für vier Leistungsgruppen angeboten. Wer sich dort realistisch einordnet, kann sich nicht überfordern.

Wo sind die Weicheierausbrüter?

Aber was ich hier auch schreibe, der Geifer wird fließen, meine Kritiker unter den Autoren, besonders die Weicheierausbrüter und Luftballonaufbläser werden toben. Aber entscheiden Sie selbst und schauen Sie auf die Resultate. Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg und davon gab es genug. Der "Count-Down" war auch die Grundlage für die individuellen Trainingspläne vom "Greif Club" www.greif.de/plan.htm, die nun seit mehr als 10 Jahren auf dem Markt sind. Unzählige Bestzeiten, regionale Meisterschaften, internationale Titel und nationale Meisterschaften errangen die Clubmitglieder. Natürlich trainieren auch die Läufer(innen) meines Heimatvereins der LG Seesen, nach den hier vorgestellten Prinzipien. Aktuell gewannen unsere Damen im Jahr 2000 in Duisburg in der Besetzung Ines Cronjäger, Kerstin Brünig und Karola Weiglein den deutschen Marathontitel in der Mannschaft. Dabei brachte Ines Cronjäger die einmalige Leistung zustande, in ihrem ersten 42,2 km-Rennen gleich den Einzeltitel zu gewinnen.

Schon wieder eine Deutsche Meisterschaft

Ganz aktuell siegte im März 2001 die selbe Mannschaft der LG Seesen mit Ines Cronjäger, Kerstin Brünig und Karola Weiglein auch in der Mannschaftswertung bei der Deutschen Halbmarathon-Meisterschaft in Arnstadt.

Mit den Meisterschaften fing es eigentlich sofort nach der ersten Veröffentlichung des "Count-Down zur Bestzeit" im Jahr 1986 an. In diesem Jahr bewies Wolfgang Krüger, der vorher nie einen deutschen Titel errungen hatte, was dran war an diesem Plan. Nach seinem Titelgewinn in Stuttgart sagte er: "In den letzten Jahren habe ich keine harten Wiederholungsläufe mehr gemacht, obwohl ich genau wußte, daß diese für einen erfolgreichen Marathon nötig sind. Aber ich muß in Lübeck ständig allein trainieren, und so habe ich mich dann mit schnellen Dauerläufen begnügt. Immer wollte ich damit beginnen und mehr Tempoläufe in mein Programm einbauen, aber die letzte Motivation hat mir doch gefehlt.

Es fing gleich mit einem dicken Titel an

"Ich las dann den "Count-Down zur Bestzeit" und war sofort begeistert. Ich habe mir vorgenommen, danach trainierst Du jetzt! Nachdem ich 14 Tage ziemlich kaputt war, bin ich nachfolgend doch in den Rhythmus gekommen. Ich habe dann die 8 Wochen voll durchgezogen. Auch die vorgeschlagene modifizierte Saltin-Diät wandte ich wie beschrieben an. So fühlte ich mich vor dem Wettkampf so gut, daß ich nicht eine Sekunde Zweifel hatte, daß es nicht klappen würde. Die Vorbereitung war wirklich optimal. Ich bin glücklich! Mein erster Sieg bei einer deutschen Meisterschaft und das mit 39 Jahren"!

Der Erfolgsindikator

Als Erfolgsindikator mag auch dienen, daß 41 männliche Mitglieder der von mir trainierten Mannschaft der LG Seesen seit der Gründung unserer Kleinstadt-Gruppe in 1981 unter 2:45 liefen und 16 es schafften unter 2:30 zu laufen. Im Frauenbereich gehören wir im mannschaftlichen Rahmen zu den Besten im Lande. www.greif.de/ewigbest.htm. Eines ist besonders wichtig: Unser Erfolg wurde nicht erkauft, sondern erarbeitet. Einen finanziellen Hintergrund gab es nie. Alle diese Sportler waren keine Profis, sondern Seiteneinsteiger wie Du und ich.

Das Du!

Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, lieber Leser, daß ich in den folgenden Zeilen in das unter Sportlern übliche "Du" verfalle. Selbstverständlich kannst Du mich auch duzen. Es wird Dir leichter fallen, wenn Du mal so richtig sauer auf mich bist, mich in der intimeren Form zu verfluchen!

Wenn ich in diesem Artikel ständig nur das männliche Geschlecht anspreche, so liegt es nur daran, daß ich versuche, mich sprachlich möglichst unkompliziert auszudrücken. Nach diesem Plan können sowohl Männer als auch Frauen trainieren.

Auch der Greif-Club hat seine Titelträger

Natürlich gab es auch auf anderen Strecken Erfolge. Im Crossbereich erzielten wir mehrere Deutsche Meisterschaften. Frauen, Jugendliche und Junioren aus dem von mir trainierten Team nahmen an Welt- und Europameisterschaften teil. Noch viel mehr große Titel holten sich die Mitglieder des Greif Club`s, die alle vier Wochen einen Trainingsplan von mir bekommen. Ich habe aufgehört die Titel zu zählen. Wer sich für die Erfolge unserer Mitglieder interessiert, kann dies nachlesen unter www.greif.de/club.htm.

Selbstverständlich haben unsere Mitglieder und auch ich selbst bittere Niederlagen einstecken müssen. Aber diese gehören zum Wesen des Sports. Denn wie sollte man eine persönlich gute Leistung erkennen, wenn sich nicht immer wieder schlechte oder mäßige Leistungen einstellen würden.

Für die nachfolgenden 8 Wochen kann ich Dir nur wünschen, daß auch Du schnell zum sportlichen "Marktführer" in Sachen Marathon in Deinem Bereich wirst. Setze Dir ein ganz klares Ziel und glaube fest an Deinen Erfolg. Dein Vorhaben wird gelingen, wenn Du Deine Regeneration nicht vergisst und ab und zu mal "Peitsche gibst!"

Mit einem Lächeln,
Dein Peter Greif