Die Saltin Diät ist fast allen ein Begriff. Ich will hier nicht näher darauf eingehen. Nur soviel, es geht bei dieser Diät darum, während der ersten 3 Tage der Woche vor einem Marathon sich fast ausschließlich mittels Protein und Fetten und damit möglichst kohlehydratfrei zu ernähren. Dies bedingt zusammen mit einem schnellen Lauf 4 Tage vor dem Wettkampf eine starke Entleerung unserer Glykogendepots. Darauffolgend werden diese Depots durch hoch kohlehydratreiche Nahrung wieder aufgefüllt und zwar über den Gehalt vor der Diät hinaus. Wir werden somit in die Lage versetzt, durch ein größeres Angebot von dem Reservestoff Glykogen länger schneller zu laufen.
In früheren Jahren stand am letzten Mittwoch vor dem Rennen der 10000 m Erschöpfungslauf, den die Saltindiät vorschreibt. Für uns schien diese Diät überaus sinnvoll, denn wie es ist, wenn Dir unterwegs so langsam der Treibstoff ausgeht, brauche ich Dir nicht zu erklären. Aber wie immer, die Sache hatte mehrere Haken. Man fühlte sich in der Zeit, in der man nur Eiweiß und Fett in sein "Näpfchen" bekam, so was von schlapp, daß ich von diesem Verfahren schon früher abriet. Der gute Saltin hat nämlich nicht die Auswirkung seines Verfahrens auf die Psyche bedacht. In der besagten Zeit fällt einem das Training so unglaublich schwer und man verlierst Unmengen seines Selbstbewußtseins. Dieser Verlusteffekt ist mit Sicherheit größer, als der scheinbare Zugewinn an Energie.
Außerdem hat er noch methodische Fehler begangen, indem er drei Parameter gleichzeitig verändert hat und deren Auswirkungen nur in der Gesamtheit abprüfte. Dieses waren: 1. Fett- und Eiweißtage, 2. 10 km Erschöpfungslauf, 3. Kohlehydrattage. Welches Parameter war aber wirksam? Alle zusammen? Ein einzelnes? Oder doch nur alle drei? Es blieben Ungewißheiten
Dies hat auch die Weltklasse erkannt und wendet die Saltin Diät in der Regel nicht mehr an. Wobei es aber doch immer noch Läufer gibt, die ohne "die Diät" nicht auskommen können, weil sie schon seit Jahren zum Ritual gehört.
Wir hatten uns hier in Seesen einige Gedanken über die theoretischen Hintergründe der Saltin-Diät gemacht und kamen zu einem Verfahren, welches zu unserer Überraschung Spitzenathleten ebenso anwandten, ohne daß es jemals eine Verbindung zwischen denen und uns gegeben hätte.
Das sah dann so aus: Am Mittwoch wurde nur ganz knapp gefrühstückt und bis zum Training am Abend gab es nur noch Mineralwasser, keine gesüßten Getränke, keine kleinen Happen, nichts. Dieses Verfahren verhindert das völlige Wiederauffüllen der Glykogenspeicher. Der Prozeß ersetzte die Fett- und Eiweißtage. Den 10000 m-Lauf absolvierten wir, obwohl er trainingsmethodisch nicht an diese Stelle paßte.
Die Aufforderung nach diesem Lauf sah dann so aus: Direkt innerhalb der ersten 15 Minuten nach dem Training greifst Du zu einem gesüßten Getränk und verpaßt Dir den KH(Kohlehydrat)-Schnellschuß, anschließend kannst Du so richtig in die Futterkiste greifen und Dir die bekannten Kohlenhydratträger einverleiben, die da sind: Kartoffeln, Reis, Nudeln, Früchte, Gemüse, Zucker, Honig, Brot, Müsli, alle Getreide- und Stärkeprodukte.
Wissenschaftler der ehemaligen DDR überprüften die Saltin-Diät genaustens mittels Muskelbiopsie und kamen zu dem Schluß, daß weder die drei Fett- und Eiweißtage, noch der 10 km-Erschöpfungslauf einen Einfluß auf den Glykogengehalt der Muskulatur haben. Einzig und allein der Kohlehydratanteil in der Ernährung der letzten 3 Tage bringt den Leistungszuwachs.
Das heißt für Dich, daß Du in den letzten Tagen vor dem Rennen den Kohlehydratanteil Deiner Nahrung möglichst hoch halten mußt. Das gelingt Dir am besten, wenn Du den Anteil der Fleisch- und Milchprodukte sowie Fett um mindestens 50% verringerst und diese durch Kohlehydrate ersetzt.
Gerne greifen die Läufer in dieser Zeit zu der - wie ich es nenne - Schokoladenriegeldiät. Sofort nach diesem Training hauchen Mars, Snickers, Raider und Co. ihr Leben aus. "Kindermilchschnitte" und "Ritter Sport" nehmen an der Beerdigung teil und die lila Kuh hält die Trauerrede.
Die Religion, die dahinter steht, ist der Glaube, daß diese Produkte der Süßwarenindustrie kohlehydratreich sind. Ich muß Dich leider enttäuschen, sie sind es nicht. Bis zu 50% der Energie aus diesen Riegeln stammen aus den dort enthaltenen Fetten. Gerade deshalb sättigen sie ja so gut. Wer also auf Süßes nicht verzichten will, greife bitte zu Rosinen und anderen Trockenfrüchten. Damit ist sichergestellt, daß Du auch die nötigen Mineralien mit aufnimmst, die Du im Rennen so bitter nötig hast. Hinter vorgehaltener Hand noch einen Geheimtip von mir, den Du aber nicht weitergeben darfst, weil mich die "Gesundheitsmafia" sonst wieder fertig macht: Richtig kohlehydratreich sind auch Lakritzen, die sogenannten Gummiprodukte, wie Bärchen, Weingummis und ähnliches, sowie Geleefrüchte. Schrecklich ungesund, aber, man gönnt sich ja sonst nichts.
Gefährlich hingegen, weil schrecklich fettreich, sind Kekse und Kuchen (außer Obstkuchen ohne Sahne). Kekse und Blätterteiggebäck enthalten so um die 30% Fett!!
Noch eins: Du bist in der Gefahr, nach den langen Tagen der Entbehrung und des harten Trainings, zu viel zu essen. Nicht stopfen ist angesagt, sondern ausreichende Ernährung. Wenn Du Dir überlegst, daß Du, wenn Deine Glykogenspeicher völlig leer sind, maximal 750 Gramm Glykogen speichern kannst, dann sind das überschlägig ein 3/4 Kilogramm Kohlehydrate. Da Deine Speicher aber mit Sicherheit nicht völlig entleert sind, wirst Du höchstens für 400 Gramm Reserve Kohlehydrate genießen können, und das ist wirklich nicht besonders viel.
Halte Deinen Blutzuckerspiegel den Tag über hoch, in dem Du immer eine Flasche Saft in Deiner Nähe hast, aus der Du ab und zu ein Glas trinkst. Vorsichtig! Orangen- oder Apfelsaft ist zwar genau das Richtige, aber auch hier macht die Dosis das Gift. In einem Liter dieser Säfte sind ca. 120 g Zucker enthalten. Wenn Du Dir in den drei Tagen vor dem Rennen je einen Liter "reinziehst", hast Du den nötigen Anteil von Kohlenhydraten schon intus. Da brauchst Du dann schon beim Essen keine Extraportion dieser Reservestoffe mehr zu futtern. Wenn Du mehr hereinstopfst, nimmst Du gandenlos zu.